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Angst ist gesund. Angst ist ein Überlebensprogramm aus der Entwicklungsgeschichte des Menschen. „Sie gehört zum Leben dazu“, sagt Professor Philipp Hammelstein, Psychotherapeut und leitender Psychologe an der Christoph-Dornier-Klinik in Münster. „Völlige Angstfreiheit wäre ein pathologischer Zustand.“
Die grundlegende Emotion hilft, Gefahren zu erkennen und darauf zu reagieren. In einer bedrohlichen Situation schüttet das Gehirn Stresshormone aus. Der Herzschlag beschleunigt sich, die Atmung wird schneller, und die Muskeln spannen sich an. Kurzzeitig ist der Körper leistungsfähiger. Sobald die Gefahr gebannt ist, stellt er um auf Entspannung – wenn das Gleichgewicht nicht gestört ist, wie bei Ursula Peidnitz (Name geändert):
"Egal, ob ich an meine zwei Kinder auf dem Schulweg denke oder an meinen Mann auf einer Dienstreise: Ich spiele im Kopf permanent durch, was alles Schlimmes passieren könnte. Dann versuche ich, mich abzulenken. Aber die Sorgen kommen von allein zurück, sie kreisen Tag und Nacht. Diese Anspannung führt immer wieder so weit, dass ich Angst habe, in diesem Gedankenkarussell durchzudrehen."
Wenn die Angst krank macht
Angst kann krank machen. Die Grenze zwischen einer normalen – gesunden – und einer pathologischen – krankhaften – Reaktion des Körpers ist schmal. „Die Emotionen, die bestimmte Situationen auslösen, sind bei krankhafter Angst nicht mehr dem Sachverhalt angemessen“, sagt Hammelstein. Für die Betroffenen fühlt sich die Bedrohung zwar sehr real an, rein objektiv gibt es aber eigentlich keinen Grund, sich zu fürchten. Es kommt zum Fehlalarm. „Von einer Angststörung sprechen wir, wenn Symptome wie Schlafstörungen, innere Unruhe oder körperliches Unwohlsein den Alltag stark beeinträchtigen.“ Angst kann lähmen, wie bei der generalisierten Angststörung von Ursula Peidnitz.
Die Weltgesundheitsorganisation teilt Angststörungen in zwei Gruppen ein: Phobien, die sich auf konkrete Objekte oder Situationen beziehen, und schwerer greifbare Störungen, die ohne konkreten Anlass auftreten:
Während eine Spinnenphobie das Leben in der Regel kaum beeinträchtigt, wirkt sich eine soziale Phobie oder eine generalisierte Angststörung auf den gesamten Alltag der Betroffenen aus. Dennoch scheinen sie eine gemeinsame Wurzel zu haben. „Wir wissen heute, dass ein komplexes Zusammenspiel aus genetischer Veranlagung und biografischen Erfahrungen manche Menschen anfälliger für Angststörungen macht als andere“, erklärt Professorin Katharina Domschke, die die Angstambulanz am Universitätsklinikum Würzburg leitet.
Frauen haben öfter Angststörungen
Aus Krankenkassen-Statistiken lässt sich ablesen, dass psychische Erkrankungen zunehmend häufiger diagnostiziert und behandelt werden. Darunter sind Angsterkrankungen die häufigste Diagnose. Im Lauf eines Jahres tritt bei 14 Prozent der Deutschen eine Angststörung auf. Frauen trifft es deutlich öfter als Männer.
Im Gehirn steuert der Mandelkern, die sogenannte Amygdala, die Bewertung möglicherweise gefährlicher Situationen. Er gleicht mit dem Hippocampus, dem Sitz des Gedächtnisses, Erfahrungen ab, die wir früher schon einmal gemacht haben, zum Beispiel ein traumatisches Erlebnis. Tritt ein ähnliches Ereignis erneut ein, dann erkennt es der Mandelkern. Er schlägt Alarm und gibt das Signal, Stresshormone wie Adrenalin oder Noradrenalin auszuschütten. Bei einer krankhaften Angststörung gerät dieser Mechanismus des „Furchtnetzwerks“ in ein Ungleich¬gewicht.
Anfälligkeit für Angstörungen liegt in der Familie
„Seit Längerem wissen wir bereits, dass Ängste in der Familie liegen“, sagt Domschke. Eltern, Kinder oder Geschwister eines Patienten mit einer Angststörung haben gegenüber dem Bevölkerungsdurchschnitt ein etwa zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko, selbst daran zu erkranken. Kürzlich hat Domschke eines der Gene ausfindig gemacht, die beim Menschen die Anfälligkeit für übertriebene Ängste steuern. Sie schätzt den Einfluss der Gene bei den verschiedenen Angststörungen auf 30 bis 60 Prozent.
Hinzu kommen Umgebungsfaktoren, also biografische Erfahrungen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens macht und die ihn prägen. Es können trau¬¬ma¬tische Erlebnisse genauso wie übervorsichtige Eltern sein, die eine Angsterkrankung begünstigen. „Ängstlich¬keit kann ein erstaunlich stabiles Temperaments- und Persönlichkeitsmerkmal sein“, sagt der Psychotherapeut Philipp Hammelstein. „Weder Umgebungsfaktoren noch die Veranlagung führen aber zwangsläufig zu einer Erkrankung.“
Die Angst vor der Angst
Für Menschen mit einer Angststörung beginnt ein Kreislauf, der sie immer stärker in ihrem Leben einschränkt. „Sie entwickeln eine Angst vor der Angst und verwenden viel Energie darauf, entsprechende Situationen zu meiden, in denen sie ihren Emotionen hilflos ausgeliefert sind“, erklärt Hammelstein. Diese Strategie verstärkt das Problem aber auf Dauer. Die Betroffenen ziehen sich zurück in einen eng begrenzten Raum, der ihnen sicher erscheint.
Seine soziale Phobie trieb Thorsten Hasling (Name geändert), 31 Jahre alt, auch noch in eine Alkoholabhängigkeit. "Was war zuerst da? Mein heftiges Trinken oder die Angst, vor anderen Menschen bloßgestellt zu werden? Meine Freunde sagen immer, ich sei einfach schüchtern. Aber es ist mehr. Ich hatte ständig das Gefühl, dass aller Augen auf mir ruhen, dass alle nur darauf warten, dass ich etwas Falsches mache. Alkohol hat mich dann entspannt – bis mein Alkoholkonsum zum Problem wurde."
Der Missbrauch von Suchtmitteln ist ein Verhalten, das viele Menschen mit einer Angsterkrankung zeigen. Patienten versuchen, damit ihre Angst zu betäuben oder sich mit Medikamenten, Alkohol oder Drogen selbst zu therapieren. Dieses Verhalten muss scheitern, meint Dr. Barbara Alm, die als Oberärztin die Spezialambulanz für Angststörungen am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim leitet. Zwei von drei Angst-Patienten würden außerdem unter Depressionen leiden – eine Konsequenz aus dem eingeschränkten Alltag und der sozialen Isolation.
Therapie: Der Angst ins Auge blicken
Es hilft nichts, die Patienten müssen sich mit ihren Ängsten auseinandersetzen. Nachdem abgeklärt ist, dass keine körperlichen Ursachen dahinterstecken, ist der erste Schritt für Barbara Alm die Psychoedukation. Die Patienten erhalten Informationen zu Symptomen, Entstehung und Folgen von Angststörungen. „Aufklärung kann die Wahrnehmung verändern“, sagt die Psychiaterin. „Gut informierte Patienten können besser mit ihrer Krankheit umgehen.“
Die echte Konfrontation beginnt dann in der kognitiven Verhaltenstherapie, die sich bei Angststörungen als am wirksamsten erwiesen hat. Die Patienten müssen sich den eigenen Ängsten aussetzen, ihnen ins Auge blicken. „Menschen mit einer Angststörung müssen ihre Angst bewusst wahrnehmen und sie zulassen, statt sie von sich zu schieben“, erklärt Hammelstein.
Lernen, die Angst auszuhalten
Bei der Konfrontation mit angstauslösenden Situationen, wo sie bewusst ihre Emotionen aushalten müssen, werden sie vom Therapeuten begleitet. Dann steigern sich die Übungen je nach subjektiv empfundener Angsthierarchie. „Wenn die Patienten immer wieder die Erfahrung machen, dass die Katastrophe ausbleibt und sie die Angst aushalten können, relativiert sie sich Stück für Stück.“ Die Patienten erkennen eingefahrene Bewertungs- und Verhaltensmuster an sich selbst und verändern sie durch gezielte Übungen.
Unterstützend wirken können während der Therapie Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, also Antidepressiva, die das Gleichgewicht im Gehirnstoffwechsel wiederherstellen sollen, indem sie die Verfügbarkeit des Botenstoffs Serotonin verbessern. „Medikamente können helfen, Menschen mit einer Angsterkrankung überhaupt therapiefähig zu machen“, erklärt die Psychiaterin Alm. Nur in bestimmten Ausnahmefällen und Notfallsituationen verordnen Ärzte Benzodiazepine als Beruhigungsmittel. Diese können schnell abhängig machen. Leichte Angstzustände lassen sich bisweilen mit pflanzlichen Arzneimitteln wie Lavendelöl lindern. Baldrian hilft bei Schlafstörungen.
Dass sich Katharina Domschke als Therapeutin einst auf dieses Gebiet spezialisiert hat, hat übrigens einen guten Grund: „Angststörungen lassen sich sehr gut behandeln. Wir haben bei diesen Erkrankungen meis-tens recht schnelle Therapieerfolge.“
So können Sie Ihrer Angst begegnen
■ Erkennen Sie Ihre Angst. Herzrasen, Kopfschmerz oder Schwindel müssen kein Zeichen für eine körperliche Krankheit sein. Sie sind auch typisch für Angststörungen.
■ Atmen Sie ruhig durch. Konzentrieren Sie sich nicht auf die Symptome, sondern bleiben Sie in der Situation. Sie wird vorübergehen.
■ Vermeiden Sie Angstsituationen nicht. „Schauen Sie der Angst bewusst ins Gesicht“, rät die Psychiaterin Katharina Domschke. „Seien Sie bei kleinen Erfolgen stolz auf sich.“
■ Werden Sie aktiv. Sport stärkt das Selbstvertrauen und wirkt stressmindernd.
■ Holen Sie sich Hilfe. Bleiben die Ängste über mehrere Wochen, scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Quelle: http://www.apotheken-umschau.de/Angst/Angststoerung-Wie-sie-entsteht-und-was-hilft-194117.html; Stefan Schweiger / Apotheken Umschau